Drood by Simmons Dan

Autor:Simmons, Dan [Dan, Simmons]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-12-14T00:00:00+00:00

»Ich fahre nach Amerika.«

Wir entspannten uns mit Brandy und Zigarren am Feuer, das zu unseren Füßen zischte und knackte. Draußen peitschte der Regen gegen die Fensterscheiben. War Dickens noch vor einer Stunde an unserem Esstisch heiter und gesprächig gewesen, so wirkte er nun still und trübsinnig.

»Das meinst du nicht ernst«, erwiderte ich.

»Doch.«

»Aber …« Ich verstummte gerade noch, bevor ich aussprechen konnte, was mir auf den Lippen lag: Aber das lässt doch dein Gesundheitszustand nicht zu. Von verschiedenen Seiten war mir zu Ohren gekommen, wie schlecht es um die Gesundheit des Unnachahmlichen bestellt war – von Frank Beard, von meinem Bruder Charley, von Kate, aber auch von gemeinsamen Freunden. Allerdings hätte es Dickens nur wütend gemacht, wenn ich ihm gezeigt hätte, wie gut ich über seine verschiedenen besorgniserregenden Beschwerden unterrichtet war: unter anderem jene zunehmende Erschöpfung, die bei seiner Frühjahrstournee in Schottland zwischen zwei Auftritten zu einem Zusammenbruch geführt hatte, wachsende Probleme mit dem linken Bein und der linken Niere, Verdauungsstörungen, Blähungen, Kopfschmerzen und – am deutlichsten sichtbar – sein rasches Altern.

So entschied ich mich für eine andere Erwiderung. »Ich dachte, deine Abneigung gegen Amerika und die Amerikaner ist zu groß, um jemals wieder hinzufahren. Das hast du in deinen American Notes und in Martin Chuzzlewit doch deutlich zum Ausdruck gebracht.«

»Pah.« Dickens winkte ab. »Mein Amerikabesuch liegt jetzt fünfundzwanzig Jahre zurück, mein lieber Wilkie. In einem Vierteljahrhundert muss sich selbst ein derart rückständiges Land verändern. Zumindest ist dies bei der Einhaltung der Urheberrechte und den Honorarzahlungen an englische Autoren für Fortsetzungsromane der Fall – wie du ja aus eigener Erfahrung weißt.«

Das stimmte. In den Geschäften mit den Amerikanern war ich bisher sehr gut gefahren und stand jetzt kurz vor dem Abschluss einer noch günstigeren Vereinbarung für The Moonstone – obwohl das Buch noch gar nicht geschrieben war.

»Außerdem«, fuhr Dickens fort, »habe ich viele Freunde dort, von denen einige zu alt oder ängstlich für die Überfahrt sind. Ich möchte sie noch ein letztes Mal sehen, bevor sie oder ich sterben.«

Dickens’ Worte über den Tod machten mich unruhig. Ich trank meinen Brandy aus und starrte ins Feuer. Wieder stellte ich mir den albernen Inspector Field und seine kleine Legion von Mitarbeitern vor, die sich irgendwo dort draußen im Regen versteckten. Wenn Fields Verdacht zutraf und Dickens tatsächlich vorhatte, nicht bei mir zu übernachten, sondern sich unter dem Vorwand einer vergessenen Verabredung zu verabschieden, dann musste er sich allmählich beeilen, denn es wurde schon spät.

»Auf jeden Fall habe ich beschlossen, Dolby Anfang August hinüberzuschicken.« Dickens lehnte sich in das Lederpolster seines Ohrensessels zurück. »Er soll das Terrain sondieren, wie es so schön heißt. Außerdem nimmt er meine beiden neuen Erzählungen ›George Silverman’s Explanations‹ und ›A Holiday Romance‹ mit. Sie wurden von amerikanischen Verlagen bestellt, und Letztere erscheint wohl in einer Kinderzeitschrift mit dem Titel Our Young Folks.«

»Ja, ›A Holiday Romance‹ hast du mir vor einigen Wochenenden in Gad’s Hill gezeigt, du erinnerst dich vielleicht noch … Du hast mir weisgemacht, dass die einzelnen Teile von Kindern geschrieben seien. Und ich habe es geglaubt.«

»Ich war mir nicht sicher, ob ich geschmeichelt oder gekränkt sein sollte, mein lieber Wilkie.

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